Unter dem englischen Begriff „Candidate Experience“ werden Erfahrungen verstanden, die ein Kandidat/Stellenbewerber (m/w) während des Bewerbungsprozesses macht – vom ersten Kontakt bis zum
Letzten (Einstellung/Absage). Diese Erfahrungen wurden im Juni 2014 durch das Deutsche Marktforschungs-Institut YouGov (www.jougov.de) im Auftrag
der Job-Matching-Plattform Talentsconnect (www.talentsconnect.de) untersucht. Bei über 1000 Teilnehmern wurde nachgefragt und dann
ausgewertet. Nachfolgend eine Kurz-Zusammenfassung der Befragung, angereichert mit meinen persönlichen Erfahrungen.
Stellenanzeigen
42% beurteilen den Informationsgehalt von Stellenanzeigen als meist schlecht bzw. eher schlecht. Dazu wird bemängelt, dass oft keine Ansprechpartner für Rückfragen angegeben werden. Immer
häufiger müssen Bewerbungen auch über ein anonymes e-Recruiting – Tool erfolgen. Die Folge dieser drei Punkte sind unpassende Bewerbungen oder gar ausbleibende Bewerbungen, weil einige Kandidaten
sich nicht „ins Blaue hinaus“ bewerben möchten.
Welchen Eindruck hinterlässt ein Unternehmen, das nur ungenau und unpersönlich im Stellenmarkt auftritt? Diese Frage sollte sich jeder Rekrutierende stellen, bevor man sich über Fachkräftemangel
oder schlechte Resonanz auf Stellenanzeigen beklagt.
Rückmeldungen/Feedbacks zur Bewerbung
30% der Bewerber warten drei bis vier Wochen auf eine Rückmeldung, weitere 20% über fünf Wochen. Rund 5% der Befragten haben gar kein Feedback erhalten.
Das sind wirklich traurige Resultate. Es gibt im Geschäftsleben Regeln – auch ungeschriebene. Dazu gehört ein Feedback innert wenigen Tagen (max. etwa zwei Wochen), ob als Empfangsbestätigung,
Zwischenbericht, Einladung zum Vorstellungsgespräch oder als Absage.
Weiteres zu dieser Befragung finden Sie hier
Vorstellungsgespräch
Verhöre statt Gespräche auf Augenhöhe oder einseitiges Ausfragen von Bewerbern statt ein faires „Geben und Nehmen“ sind die wohl am häufigsten gemachten negativen Erfahrungen von Kandidaten.
Bedenken Sie, liebe Recruiter, dass die besten Bewerber dies nicht „nötig haben“ und Sie diese verlieren, wenn Sie so vorgehen. Ein ähnliches Thema sind Case-Studies/Präsentationen. Ab der
zweiten Runde im Rekrutierungsprozess gehören sie immer häufiger dazu. Wenn sie fair gehandhabt werden – genügend Vorbereitungszeit, realistische Erwartungen – dann sind sie kein Problem und
werden vom Bewerber akzeptiert. Andernfalls sind sie eher ein Ärgernis.
Lohn-/Anstellungsbedingungen
Am unangenehmsten sind negative Überraschungen bei den Lohnverhandlungen am Schluss. Wenn der Salärrahmen von Anfang an besprochen wird und man sich auch zuletzt daran hält, scheitern
Anstellungen am Schluss weniger.
Zeitschiene im Rekrutierungsprozess
Gute Kandidaten sind schneller weg als weniger gute. Bewerber, die länger hingehalten werden, bewerben sich weiter aktiv an anderen Orten und können abspringen. Deshalb gilt auch hier: Zeit ist
Geld. Zu lange warten kann einem Unternehmen gute, potenzielle Mitarbeiter kosten.
Absagen
Zuletzt ein paar Worte dazu. Absagen sind nicht angenehm, besonders nicht für Bewerber. Wenn immer möglich sollen sie begründet werden. Eine kurze Standardabsage auf eine ausführliche, gut
gemachte Bewerbung ist oft nicht adäquat. Bezüglich Form der Absage gilt vereinfacht Folgendes:
Schriftliche Absagen reichen dort, wo man nur schriftlichen Kontakt hatte. Wenn bereits Vorstellungsgespräche stattgefunden haben, dann soll auch mündlich abgesagt werden. Das mag zwar manchmal
unangenehm oder aufwändig für den Recruiter sein, gehört sich aber so.
Rainer Marty, August 2014